Arbeitsraum Südtirol

arbeitsraum suedtirol sieben positionen zeitgenössischer gestaltung   Ausstellung vom 17. Januar bis 22. Februar 2014 Eröffnung:Donnerstag, 16. Januar 2014, 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr         Das Kräftemessen Mensch versus Maschine hat der Mensch in den meisten Bereichen verloren. Aber nicht in allen Bereichen. Irgendwo auf dem Weg in die Präzision hat das moderne Handwerk nicht nur die Hände, sondern auch die Poesie verloren. An dieser Stelle schaltet sich das Kunsthandwerk ein. Und wenn es nicht hoffnungslos rückwärtsgewandt ist, dann gelingt es ihm manchmal, die Poesie der Dinge wieder zurück in den Alltag zu holen. Darum geht es in dieser Ausstellung.   Kunsthandwerk bedeutet immer auch: Mit den Händen arbeiten. Im modernen Handwerk haben Computer und Maschinen die menschlichen Hände verdrängt. Präzision wird verlangt, auf Hundertstel Millimeter genau. Das können Menschen mit ihren Händen nicht leisten. Warum aber scheint uns dennoch eine alte, aus Feldsteinen lose aufgeschichtete Mauer am Wegrand so viel schöner als eine präzise gemauerte Abböschung an der Autobahn? Warum bewundern wir die sanften Rundungen eines in Marmor gemeißelten antiken Torsos, während wir den perfekten Schwung einer in Plastik gegossenen Imitation gering schätzen? In Südtirol hat sich eine Reihe hervorragender Handwerker wieder auf die Suche nach dem Wesen des Handwerks gemacht, hat alte Techniken, kaum noch verwendet, manche schon beinahe vergessen, wieder zugänglich gemacht, um die alten Techniken für eine zeitgenössische Aussage zu nutzen. Interessanterweise geschah dies in so unterschiedlichen Sparten wie der Töpferei, der Schmiedekunst oder der Schmuckherstellung parallel.   In dieser Ausstellung haben sich sieben dieser Kunsthandwerker zusammen getan. Sie sind in ihrem Bereich zur Avantgarde zu zählen, obgleich sie weit zurückgreifen in die Zeit. Ihnen gemeinsam ist ihre Haltung: Ihre Arbeit ist ein Plädoyer wider die Künstlichkeit. Hier schwingt ein Rest von einem magischen Weltbild mit, immer wieder konfrontiert mit einem aufgeklärten, rationalen Umfeld. Aber diese Stücke erinnern auf ihre je eigene Weise noch an ein mythisches Denken, das in allem, was uns umgibt, einen Geist wahrnimmt, eine Seele, die uns anschaut, zurückschaut auf uns. Dabei kommen Techniken zum Einsatz, die zum Teil mit großem Aufwand wieder zugänglich gemacht wurden. Der Schmied Laurenz Stockner baute einen Ofen nach altem Vorbild zur Kupferschmelze, so, wie sie in Südtirol bereits im Mittelalter konstruiert wurden. Andere Techniken, die dem Vergessen wieder entrissen wurden, sind zum Beispiel das Schöpfen von Papier. Oder das Feuervergolden. Diese alte Vergoldungsmethode überdauert die Zeit besser als alle neuen Techniken, denn das Gold geht hierbei eine wirkliche Verbindung mit dem Werkstück ein, es wird nicht einfach nur aufgelegt, es frisst sich in die Oberfläche hinein. Eine feuerver-goldete Schale trägt den Goldton in sich, für die Ewigkeit.   Peter Chiusole und Kyra Leimegger haben ihre töpferischen Fertigkeiten mit einem so genannten „Anagama“ perfektioniert. Dieser im ostasiatischen Raum gebräuchliche Einkammerofen erlaubt es, äußerst große Werk-stücke zu brennen. Er wird in den Hang hinein gebaut und muss tage- und nächtelang von mehreren Menschen gleichzeitig befeuert werden, damit er die erforderliche Temperatur von 1300 Grad Celsius erreicht. Auf der Schwarzbachalm im Ahrntal wurde dieser 8 Meter lange und 2 Meter breite Ofen errichtet, zur Verschmelzung von Ton und Glas. Es wurde einer der größten nichtindustriellen Brennöfen Europas, der Künstler aus ganz Europa anlockte. Bei den Schmuckkünstlern Konrad Laimer und Gabi Veit wird die alpine Natur direkt zu Schmuck umgestaltet. Apfelgehäuse, gezwirbelte Weidenzweige oder die Jahresringe eines Baumes werden bei Konrad Laimer zu Schmuckmotiven. Bei Gabi Veit sind es Granatsteine oder Strauchwerk, die sie zu Schmuckstücken inspi-rieren. Und ihre Ringe wirken wie aus einer antiken keltischen Grabstätte geborgen. Die Zeichnerin und Illustratorin Linda Wolfsgruber gestaltet Vignetten auf handgeschöpftem Papier, die Geschichten erzählen, so zart wie die Legenden aus dem Reich der Fanes, der sagenhaften Bewohner der Dolomiten. Und Paul Feichter schneidet Bücher aus Holz, ein nach Zirbenholz duftender Stapel aus Massivholzbüchern, die das genaue Gegenteil der elektronischen Konkurrenz, dem E-Book, sind, dem entleibten Buch: Diese Holzbücher verfügen noch über ihren Leib, sie sind sinnlich, man möchte sie berühren, möchte mit den Fingerkuppen über das grob geschnittene Holz streichen.   Und schließlich Martino Gamper, der Möbel entwirft wie ein Archäologe des Zeitgenössischen. Er verbindet in seinen Arbeiten Alt und Neu zu eigenwilligen Kompositionen der Gebrauchskunst. Die Ausstellung zeigt also sieben Positionen, die in einem Brückenschlag das Gestern und das Heute miteinander versöhnen. Und sie entwickeln dabei wieder jene Poesie des Haptischen, die den Alltagsgegenständen unserer Zeit so häufig abgeht.   Was aber haben diese Arbeiten, was der maschinengeformten Perfektion, die uns umgibt, meist fehlt? Warum nehmen wir an der industriellen Massenware nur den Gebrauchswert wahr? Wohin ist die Schönheit? Warum sind wir bereit, so viel mehr Geld für eine mit Hämmern händisch ausgetriebene Metallschale auszugeben, als für einen industriellen Nachguss? Nicht immer ist es der Charme des Handwerklichen, nicht immer sind es die vermeintlichen „Fehler“, die Abweichungen von der Perfektion, die die besondere Ästhetik des Handwerks ausmachen. Selbst wenn zwei Schalen sich ähneln wie ein Ei dem anderen, scheint der handgetriebenen eine Art Nimbus anzuhaften, ein Versprechen auf mehr, eine Botschaft, die nicht im Naheliegenden zu finden ist.  Vielleicht nimmt das Auge bei diesen Handwerksstücken tatsächlich die Zeit wahr, die für ihre Fertigung aufgewendet wurde, die Sorgfalt der berührenden Hand, die Hinwendung zum Material. Auch das ist den vorliegenden Ansätzen des Gestaltens gemeinsam: Sie investieren geradezu verschwenderisch die wertvollste Ressource, über die wir verfügen – sie investieren Zeit. Nina Schröder Kulturjournalistin   Einladungskarte